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05.12.2018
Als einfacher Theatergast betretet ihr das k.u.k. Hofburgtheater am Wiener Ring natürlich durch die schweren, schmalen Türen des Haupteingangs. Dort im Foyer holt ihr euch die bestellten Tickets, schmökert in der Buchhandlung, trinkt ein Glas Sekt oder einen Spritzer vor der Vorstellung. So auch ich, seit Jahrzehnten. Diesmal aber ist etwas anders. Erstmals betrete ich die „Burg“, wie man als theateraffiner Mensch in Wien zu diesem Sprechtheater sagt, durch den heiligen Bühneneingang.
Nun ja, „heilig“ ist er nur für mich als Theaterfreundin – innen beim Portier wirkt alles ganz gemütlich und vor allem freundlich. Hier wird gegrüßt und getratscht was das Zeug hält – ist das schon die besagte „Burgtheater-Großfamilie“? Was wir normalerweise vom Theaterleben mitbekommen, das ist ja das Ensemble, vielleicht noch der Publikumsdienst – doch was sich hinter den Kulissen dieses Großbetriebs Tag und Nacht abspielt, damit eine Produktion so auf die Bühne kommt, wie sich das der Regisseur vorstellt – das sehen wir nicht. Normalerweise.
Das Burgtheater und das Wiener Rathaus - vom Volksgarten aus betrachtet.
Bei dieser Spezialführung hinter die Kulissen, unter die Bühne und hinauf auf den berühmten Schnürboden zeigt uns der Leiter des Publikums- und Sicherheitsdienstes der Burg, Karl Heindl, sein Reich. Ja, es ist sein Reich, denn seit über 30 Jahren arbeitet er bereits an der Burg – mit einer kleinen Unterbrechung in Japan. Er kennt hier alles und jeden – und er lebt seinen Job.
Karl Heindl geht voran in die Unterwelten und erzählt vom Nimbus der Burg als DAS deutsche Sprechtheater unter Josef II und dem späteren Umzug vom Michaelerplatz („an der Burg“) an die damals ganz neue Location an der Prachtstraße, dem Ring. Die Schauspieler waren mit der Akustik jedoch mehr als unzufrieden, wiedermal bahnte sich ein Burgtheater-Skandal an: „Reiß ma´s wieder ab“ – bei solch baulichen Mängel des „neuen Riesentheaters“ könne man in solch „schönem Scheusal“ nicht arbeiten, so Schauspieler Hugo Thimig. „Es spricht sich wie am Meeresstrande“ bemängelte man die schallende Akustik im Zuschauerraum, darüber konnte auch die prunkvolle barocke Innenausstattung und die Klimt´schen Deckengemälde erstmal nicht hinwegtäuschen.
Heute gibt´s zwar auch noch den einen oder anderen Theaterskandal an der Burg – die Direktorenbesetzung ist stets Thema in Wien, doch Technikprobleme gibt es nicht mehr. Im Gegenteil: Wenn ein Regisseur mit neuen Ideen kommt, sagt man hier niemals „Nein“, an der Burg ist alles möglich, sagt Karl Heindl stolz und ihm glaubt man alles.
Barocke Feststiege im Seiteneingang des Burgtheaters
Wer hier hinter und in den Kulissen arbeitet, sieht ein Stück meist von der Entstehung an bis zum letzten Vorhang, kennt die Vorlieben der Regisseure und tratscht mit den Schauspielern in der Kantine oder hinter der Bühne. Früher war das anders – die alteingesessenen Burgschauspieler bekamen die Garderoben mit der schönsten Aussicht und waren kleine (oder große) Halbgötter wie Charlotte Wolter, später sogar zickige Stars wie Adele Sandrock oder ausgesprochene Publikumslieblinge wie Alexander Girardi.
Und heute? Heute ist vollkommen klar, dass jeder Mitarbeiter der 450 Mitarbeiter in der Burg mindestens genauso wichtig ist wie eines der 65 Ensemblemitglieder. Abends ist Vorstellung und die meisten arbeiten auf Abruf: Von sieben Uhr morgens bis nach 11, wenn der letzte Gast gegangen ist. Dennoch: Egal, wer vorbeigeht – es wird höflich gegrüßt. Ich stehe mit meiner Kamera und wahrscheinlich offenen Mundes nicht nur einmal den Menschen bei der Arbeit im Weg – sei´s drum, man bleibt freundlich.
Der erste Blick hinter die große Bühne des Burgtheaters
Was wir über dem Straßenniveau vom Theater sehen, ist nur ein kleiner, baulicher Teil des Mysteriums Burgtheater. So richtig ab geht es unterirdisch und zwar auf mehreren Ebenen. Vom Bühneneingang gelangen wir entlang der Kantine zum Lastenaufzug und der bringt uns auf die Unterbühne: 8,82 Meter unter der Bühnenfläche befinden wir uns jetzt und schauen – theoretisch – direkt ins Publikum. In diesem Falle aber schauen wir direkt auf die gigantischen Zwerge, die die bereits jetzt legendären Requisiten der aktuellen „Der Volksfeind“ Inszenierung sind. Die warten hier unten auf ihren Auftritt.
Heutzutage geht das mit der dreh- und versenkbaren Hubbühne, 1888 ging die Bühnentechnik nicht so lautlos von statten. Der Flaschenzug lärmte und das war den Herren und Damen Burgschauspielern gar nicht recht, da ihr geniales Spiel durch solch mindere Geräuschkulisse desavouiert wurde.
Früher war nämlich nur die Wasserhydraulik lautlos. Und deswegen trinkt man in Wien das berühmte Hochquellwasser aus den Wiener Alpen nicht nur, sondern es war einst auch in riesigen Wasserauffangbecken unter der Burgtheaterbühne zu finden – dadurch konnten die Hubpodien wie von Zauberhand bewegt werden und störten nicht mit technischem Getöse.
Weiter geht´s an technischen Räumen und Lagern vorbei bis zu einem riesigen Raum mit Kulissen, die meisten akribisch beschriftet. Hier sieht man die harte Arbeit, die hinter den Produktionen wie wir sie auf der Bühne zu sehen bekommen, steckt. Wir befinden uns übrigens unter dem Parkplatz, der vor dem Café Landtmann liegt, das Burgtheater geht also nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Weite. Die Frischluft in den Zuschauerraum wird aus dem benachbarten Volksgarten eingespeist. Dazu muss ich persönlich sagen: Oben auf der Galerie merkt man allerdings recht wenig von der Frischluft.
Apropos oben: Mit dem Lift fahren wir von ganz unten nach ganz oben – auf den Schnürboden. Der Blick von hier oben auf den hinteren Teil der Bühne ist für mich als Theaterfan einfach Atem beraubend. Welcher Theaterfreund kommt schon auf den Schnürboden der Burg? Hier in 28 Metern Höhe mit 600 Lampen, Lichtsteuercomputern und vielen Seilen, die auch immer noch manuell (heutzutage aber bandscheiben-freundlich) bedient werden können, kommen 850 Steuerkreise zusammen. Der Vorhang allein wiegt schlappe 400 Kilo.
Schließlich hören wir die Inspizientin, die eben noch mit dem Hauptdarsteller auf der Bühne war: „Die Besuchergruppe bitte auf die Bühne“ – wow, ich werde auf die Bühne des Burgtheaters gerufen. Hinter der Bühne herrscht ein Gewusel: Bühnenmeister, Tontechniker, Regieassistenz, die Inspizientin und zahlreiche Bühnenarbeiter tun ihre tägliche Arbeit. Alle sind immer noch freundlich, obwohl wir sichtlich im Wege rumstehen. Aber wir dringen noch weiter vor in das Innenleben der Burg – bis zu den Garderoben der Schauspieler, in denen bereits die Kostüme für die Abendvorstellung bereitliegen. Die Schauspieler selbst brauchen sich darum nicht zu kümmern, sie sollen sich in der Garderobe nur entspannen und konzentrieren können.
Ein Blick auf die Kostüme
Vor 100 Jahren wäre dies unmöglich gewesen: Ich stehe in der Garderobe der Hauptdarsteller, sehe die Kostüme, die Kleidung und all die Utensilien für den Auftritt. Im Bühnenhaus orientiert man sich übrigens nach der linken Landtmann-Seite und der rechten Volksgarten Seite: Links die Herren, rechts die Damen lang in die Garderoben. Und in der Kantine finden alle wieder zusammen: Die vielen Bühnenarbeiter, die Schauspieler, die Dramaturgen und Regieassistenten – die Großfamilie Burgtheater eben.
In der Garderobe der Herren
Einen letzten Blick werfe ich noch auf den „Verbeugungsplan“, der an den Türen zur Bühne hängt. Dann trete ich durch einen unscheinbaren Seitenausgang in jene rot gepolsterten Räumlichkeiten, die ich seit Jahrzehnten kenne: In die Publikumsgänge, die zum Parkett führen. Plötzlich bin ich wieder in einer anderen Welt, in der des Zuschauers. Schade, sehr schade.
Noch mehr Fotos der wirklich tollen Führung, die mir das Burgtheater von einer ganz neuen Seite zeigte:
Fotos: Angelika Mandler Saul
Als Anhängsel an so eine spannende Führung bietet sich an, auch andere prestigeträchtige Wiener Kulturinstitutionen von einer neuen Seite kennenzulernen. Und zwar kulinarisch! Seht hier, welch wunderbare Cafés und Restaurants die Wiener Museen beherbergen und genießt Kaffee, Kuchen und mehr zwischen den Kunstwerken großer Meister.