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17.07.2019
Ein Leck im Dach des Festspielhauses, ein erkrankter Jedermann und eine Buhlschaft, die sich nicht um das obligate rote Kleid schert und im „Kleinen Schwarzen“ spielt. Dies waren nur ein paar der unvorhergesehenen Premieren bei den Salzburger Festspielen 2018.
Erstmals erkrankt nämlich 2018 der Hauptdarsteller des Jedermann und innerhalb von 30 Stunden war ein Ersatz gefunden, hatte man geprobt und: Vorhang auf für noch eine Premiere! Denn das war seit dem ersten Jedermann anno 1920 noch niemals vorgekommem: Dass ein Jedermann, die männliche Theaterrolle schlechthin in Österreich, zur Aufführungszeit erkrankt. Solcherart künstlerische Einspringer werden bei uns natürlich gründlich hofiert – in diesem Falle allerdings zu Recht. Der erste Jedermann-Einspringer der Geschichte! Und dann noch so fulminant.
Doch es wäre nicht Salzburg die Weltbühne schlechthin, gäbe es nicht auch dieses Jahr eine Premiere, die von sich reden macht: Eine neu besetzte Buhlschaft, die erstmals singen darf. Und noch eins setzt man drauf: Das kleine Schwarze des Vorjahres ist einem weißen Hosenanzug gewichen – auf den Leib geschneidert. Also Anlässe genug für neue fulminante Höhepunkte auch beim aktuellen Jedermann!
Jedermann Aufführung im Sommer 2018
Wenn alljährlich in Salzburg der Festspielsommer ausgerufen wird, dann ist die Stadt Salzburg Kulisse und Bühne zugleich. Das ist durchaus so gewollt – seit jeher. Denn der Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt hatte nach dem Ersten Weltkrieg das nahe Schloss Leopoldskron gekauft, das er ebenfalls zur Bühne zu machen pflegte. Max Reinhardts Büste im Festspielhaus sieht ein wenig streng aus der Wäsche. Dabei wurde auch der Platz vor den Festspielhäusern nach ihm, dem Ideengeber Superstar der damaligen Theaterszene im deutschsprachigen benannt: Dort wo man am roten Teppich Schampus und Bier schlürft – zwischen Jedermann am Domplatz und Netrebko im großen Haus. Er war der, der es ganz genau so wollte: „Die ganze Stadt ist Bühne“: Hat er geschafft, bis heute.
Die Büste von Max Reinhardt
Seine Büste bekommen nicht nur Festspielbesucher, sondern all jene zu Gesicht, die einen Blick hinter die echten Kulissen der Aufführungsorte werfen wollen: Bei einer offiziellen Führung gelangt man, wenn man Glück hat und nicht gerade beim Proben stört, zu allen drei Aufführungsorten: In den Publikumsraum und auf die Bühne des Großen Festspielhaus, ins Haus für Mozart, die Hinterbühnen und in mein ganz persönliches Highlight: in die Felsenreitschule.
Die Arkaden der Felsenreitschule
Ich durfte schon öfter im Rahmen von offiziellen und inoffiziellen Führungen hinter die Kulissen der Festspielhäuser schauen. Alles was ich gesehen habe, hat mir gefallen – Kunststück, als Theaterliebhaberin. Der Portier fachsimpelt mit mir über eine vergangene „My Fair Lady“ Inszenierung an der Wiener Volksoper, jeder Bühnenarbeiter grüßte freundlich, alle sind hochkonzentriert am Werk – vom Tischler bis zum Lieferanten. Profis, und noch dazu so freundliche, das gefällt mir.
Wenn gerade an allen Ecken und Enden gehämmert, gebastelt und geprobt wird, dann muss man bei der Führung oft Abstriche machen und darf nicht überall hineinlugen. Im Probenraum im Schüttkasten neben der Pferdeschwemme etwa werden Sprechproben für den Jedermann abgehalten – oder auch Konzertproben. Überall wird gearbeitet und als Besucher bin ich mittendrin als Beobachterin und sehe hinter die Kulissen zu allen, die den Kunstgenuss erst ermöglichen: Techniker, Verwaltung, Handwerker, Maske und Kostümbildner. Während der Führung bekommt man einen guten Eindruck, was hier im Hintergrund zwischen den Proben und Aufführungen so abläuft.
Das heutige Haus für Mozart war früher das so genannte Kleine Festspielhaus und noch früher die Große Winterreitschule, dazwischen das provisorische Festspielhaus für Reinhardts „Salzburgs großes Welttheater“. Viele Umbauten musste die alte Reitschule über sich ergehen lassen, bis sie so hochmodern wurde, wie sie heute als Haus für Mozart da steht. Bei der Führung betritt man die ganze Anlage durch das pittoresk bunte Faistauer Foyer mit den bunten Fresken des Salzburger Malers Anton Faistauer. Von der Hinterbühne gelangt man durch ein riesiges Eisentor hinaus auf die Gasse in den Toscaninihof. So oft bin ich draußen vor dem Tor gestanden – jetzt stehe ich „auf der anderen Seite“ auf der Hinterbühne. Aufregend.
Das Faistauer Foyer
Innen übrigens im hochmodernen Hauptfoyer kann man auf die Terrasse hinaustreten, was sich besonders bei der Eröffnungszeremonie unbedingt lohnt. Wenn man denn geladen ist. Denn von dort hat man den allerbesten Blick auf die Ehrengäste, die zur Eröffnung heran defilieren und vorfahren. Im großen Festspielhaus, dort wo man hinübersiedelt, wenn der Jedermann am Domplatz ins Wasser fällt, hat der Bühnenvorhang schlappe 34 Tonnen und ist 1 Meter dick. Dort im Pausensaal sieht man übrigens auch noch die Reste des „Pferdestalls“, wenn man auf grünem Serpentin mt Pferdemosaiken dahinstöckelt.
Nachdem die Winterreitschule erfolgreich umgebaut war, wünschte sich Reinhardt auch die Felsenreitschule als Location für sein Welttheater: Schon im 17. Jahrhundert hatte man dort 96 dreigeschoßig angelegte Arkaden in den Steinbruch des Mönchsberg gehauen, um Reitvorführungen (und leider auch Tierkämpfe) beobachten zu können. Als man hier endlich Theater spielte, saß man noch auf Holzbänken und am Lehmboden.
Direikt hinter den Arkaden der Felsenreitschule
Heute gibt es hier in der Felsenreitschule eine gefinkelte Dachkonstruktion und eine neue Tribüne mit besserer Sicht als früher. Aber dass man hier quasi mitten im Mönchsberg steht, das merkt man allerorten. Der Karl Böhm Saal mit dem beeindruckenden Deckenfresko ist auch direkt in den Berg gehauen, so wie die Felsenreitschule. In dem jetzt als Pausenfoyer genutzten Raum sieht man ebenfalls noch ganz deutlich, was hier vor 300 Jahren wirklich drin war: Eben jene Reitschule, die später vom Architekten Clemens Holzmeister im Auftrag von Max Reinhardt umgebaut wurde. Die winzigen Gänge und Schlupflöcher hinter den Felsenbögen übrigens, die sind gar nicht elitär. Da wundert man sich während der Führung gewaltig, wo die Künstler überall durchschlüpfen müssen, bevor sie in pompösen Kostümen und stimmgewaltig auf die Bühne treten. Es ist beileibe kein Luxus, den die Künstler hier bei ihrem Auftritt vorfinden.
Aber gerade das macht diese Location doch auch aus. Eine in den Fels gehauene Opernbühne, ein Foyer, das eine Reitschule war, Fresken aus dem 17. Jahrhundert – und gleichzeitig modernste Bühnentechnik, ein anspruchsvolles Programm und Künstlern aus aller Welt. Dafür mischt man sich in Salzburg doch gerne alljährlich unter die enthusiastischen Massen an Salzburgbesuchern, oder? Ich auf jeden Fall. Immer wieder.
In den 1930er Jahren galt Salzburg bereits als der kulturelle Mittelpunkt Europas neben Bayreuth und in den Sommermonaten hielten sich, ähnlich wie heute, Künstler mit Gefolgschaft, Enthusiasten und viel kulturell interessiertes „Fußvolk“ wochenlang in der damals noch sehr kleinen Stadt auf. Max Reinhardt und seine Arbeit sowie sein Leben wurden durch seine jüdische Herkunft allerdings in Salzburg bis zum Anschluss höchst kontroversiell diskutiert.
Und auch vor 50 (!) Jahren war es in Salzburg bereits Thema: Sind die Festspiele noch Hochkultur, wie es die Gründer beabsichtigt hatten oder massentouristisch verdorben? „Zuviel Massierung“ lamentierte etwa die Witwe des Gründers Max Reinhardt, Helene Thimig, schon 1970 über zuviel G´schäft und zuwenig Kunst in Salzburg. Und die „kleinste Hauptrolle der Welt“, jene der Buhlschaft gab auch schon von jeher Anlass zu Tratschereien. Lieblingsthema: Das rote Kleid der Buhlschaft.
Nur einer von vielen Orten der Stadt, die zur Festspielzeit gut besucht sind.
Ja, es ist viel los in Salzburg: Im Festspielsommer ist die Stadt nicht nur voller Tagesgäste, Urlauber, Kultur-Enthusiasten und Zaungäste, sondern auch der Kulturbetrieb selbst hat aufgestockt: Statt 200 Mitarbeitern gibt es dann sommers über 5000 Mitarbeiter, die hier und in der Umgebung leben und arbeiten. Und alle wollen irgendwo parken. Auch die Tagesgäste und Stunden-Gäste. Letztere gab es übrigens auch in den 1960er Jahren schon – sie sind also kein Produkt des heutigen Massentourismus. Über 97 Prozent Auslastung über alle Vorstellungen des Festspielsommers 2018 freut man sich dennoch. Die offiziellen Führungen sind hochbegehrt, täglich ein- oder mehrmals werden sie angeboten. Zur Festspielzeit gibt es aufgrund der vielen Proben und der extremen Betriebsamkeit manchmal andere Zeiten, aber dafür ist man hautnah dran am Geschehen.
Ob man in 50 oder 70 Jahren vom ersten Jedermann-Einspringer der Geschichte anno 2018 noch reden wird? Von der ersten Buhlschaft seit 99 Jahren, die in Hosen spielt? Sicher. Reinhardts Faust-Inszenierung 1933 war jedenfalls schon bei Entstehung legendär: Clemens Holzmeister hatte ihm eine regelrechte „Faust-Stadt“ in die Felsenreitschule gebaut, die damals noch den Blick in den Himmel bot. Natürlich begann es bei der Premiere zu regnen und man musste ins Festspielhaus übersiedeln. Kennt man ja. Gehört aber dazu zu Salzburg. Denn: Alles ist Bühne, alles ist Kulisse. Und alle spielen mit. Ich auch.
Schloss Leopoldskron und die Festung Hohensalzburg
Wer den Tag nicht am Mattsee oder am Wolfgangsee beim Baden verbringt, der wird vielleicht untertags auf den Kapuzinerberg steigen, der nie überfüllt ist und den Blick genießen, den Stefan Zweig von seinem Refugium dort oben auf die geliebte, gehasste Stadt einst hatte, bevor die Nazis hier seine Bücher verbrannten. Die Festspielzeit pflegte Zweig nämlich bis auf wenige Networking-Ausnahmen zu meiden, während draußen im Schloss Leopoldskron bei dem (von ihm ungeliebten) Star Max Reinhardt auf dessen Sommerfesten der Bär steppte: Leopoldskron war Reinhardts Partyzone, Künstlerschmiede, Filmlocation, Wandertheater und Gründungsort der Salzburger Festspiele.
Die von Max Reinhardt gestaltete und hoch geschätzte Bibliothek im Schloss Leopoldskron
Auch eine Vielzahl historischer Gegenstände lassen sich im Schloss Leopoldskron besichtigen
Das heutige Schlosshotel Leopoldskron bietet sich als Fotolocation übrigens auch an für einen kleinen Abstecher abseits der Vorstellungen: Am besten mit Rad und Badezeug. Tapfere springen dort nämlich in den Almkanal, Bequemere gehen ins Leopoldskroner Freibad. Da sichtet man dann auch den einen oder anderen Künstler beim Abkühlen oder Radfahren. Apropos Radfahren: Man begegnet schon mal dem Glauben am Radl oder dem Tod im Café Bazar. Die guten Werke verziehen sich schnell nach Aufführungsende und nicht alle gehen zur Premierenfeier ins Stieglbräu. Augen auf in Salzburg zur Festspielzeit: Dann ist man hautnah dran am Kulturgeschehen.
Abends aber dann schlüpft man ins Dirndl, die Lederhose, die Bundfaltenhose, den Smoking oder das kleine oder große Abendkleid: Denn bei den Salzburger Festspielen kann man heutzutage eigentlich alles tragen. Auf jeden Fall darf man aber immer und überall das Dirndl ausführen, ohne unangenehm aufzufallen – auch als zuagraste Theaterfreundin und Sommerfrischlerin.
Ich fahre im Sommer nach Salzburg, seit ich denken kann. Für mich gehört Salzburg einfach zum Sommer, egal wieviele Tagestouristen die City überschwemmen und wie überfüllt die Getreidegasse auch sein mag. Ich liebe es, ein Ticket für den 17 Uhr Jedermann in der Tasche zu haben, mit dem Rad City und Salzach zu umkreisen, da und dort einen Schauspieler zu sichten und nach der Vorstellung zwischen Domplatz und Festspielhaus abzuhängen. Auf den sozialen Medien der Künstler kann man heutzutage hautnah vor und nach der Vorstellung dabei sein. Kalte Fußbäder, kühle Getränke, ein Bier hier, eine Künstlerfeier dort, ab in die Maske. So bin ich noch viel näher am Theater dran – weil ich es will.
Nach der Vorstellung spaziere ich hinüber zum Festspielhaus, denn die wirklichen Insider buchen zuerst die Jedermann Vorstellung, nehmen dann einen Drink am roten Teppich und gehen danach in die Oper im Festspielhaus. Als Zaungast im Dirndl am Rad, wie ich es bin, gibt es da viel zu beobachten.
Ich war übrigens auch dabei, als der Jedermann 2018 erkrankte. Naja, eher im übertragenen Sinne, denn ich kühlte mir nach der ausgesprochenen „Bikram“-Jedermann Vorstellung am überhitzten Domplatz gerade meine geschwollenen Festspielfüße im Brunnen am Max Reinhardt Platz ab (inmitten des abendkleidgewandeten Opernpublikums), als besagter Jedermann Darsteller im Taxi zu den Garderoben im Festspielhaus gebracht wurde. Sicher eiskalt da drin im Taxi, der verkühlt sich sicher - so mein erster Gedanke. Dem Vernehmen nach war es dann auch genau so. Die ganze Stadt ist eben Bühne. Ob man will oder nicht.
Der jährliche Schauplatz für die Aufführung des Jedermann: Der Salzburger Domplatz
Hugo von Hofmannsthals Büste
Im Fels des Mönchsberg - Die Salzburger Felsenreitschule
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Alle Bilder im Artikel: © Angelika Mandler-Saul
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