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18.12.2019
Die Seilerstätte in Wien. Vor 500 Jahren verlief hier die mittelalterliche Stadtmauer Wiens – auf der Seite mit den ungeraden Hausnummern. Also auch auf Hausnummer 9, dort, wo heute das Musicaltheater Ronacher steht. Jenes Haus der Vereinigten Bühnen Wiens, das mittlerweile ausschließlich als Musical Aufführungsstätte dient und dementsprechend frequentiert wird. Denn die Musical Fangemeinde in Wien ist eine ganz besonders treue und begeisterte. Das sagen nicht nur die enthusiastischen Fans von sich selbst, sondern auch jene Musical Darsteller, die sich manchmal der wartenden Menschentrauben am Stage Door (früher sagte man auf wienerisch einfach „Bühnentürl“) nach der Aufführung kaum erwehren können.
Von der Kantine des Ronacher, oben am Dach, dort wo man einen modernen Glaskubus auf das 1888 wieder eröffnete Gebäude der berühmten Architekten Fellner & Helmer gesetzt hat, hat man einen fulminanten Ausblick auf die Seilerstätte – einen pompösen wunderschönen Straßenzug in der Wiener Innenstadt voller Palais und pittoresker Hausfronten.
Auf der Seilerstätte stehen das Palais Coburg (auf wienerisch „die Spargelburg“ aufgrund der Säulen), das Geburtshaus von Auer-Welsbach, der Residenzhof, hier wohnte Beethoven, starb Fanny Elßler, standen einst Klöster – wir finden Hausportale im Barockstil und von den Wiener Werkstätten. Eine allererste Adresse im Wien der Jahrhundertwende: Hier spielt auch der berühmte Roman von Ernst Lothar, einst Direktor des Theaters in der Josefstadt, später zum Exil gezwungen so wie sein Co-Direktor Max Reinhardt: „Der Engel mit der Posaune“. Einen Roman, den man als Wiener kennt, weil fast keiner so schön unsere österreichische Geschichte von 1888-1945 anhand einer Familie widerspiegelt wie dieser. Im Roman wohnte die Klavierbauerfamilie Alt auf der Seilerstätte 10 – wenn es sie also gegeben hätte, so hätten sie 1888 miterlebt, dass schräg gegenüber ein neues Varietétheater auf den Überresten des abgebrannten Stadttheaters eröffnet wurde – das Ronacher.
Ein „Concert- und Ballhaus“ – ein Etablissement, das alle Stückerln spielte und als Ballsaal, Theater-Location, Kaffeehaus, Variété und Restaurant fungierte. Die Architekten? Natürlich die wichtigsten und bekanntesten Theaterarchitekten der Donaumonarchie – keine Stadt, die nicht ein Theater- oder Opernhaus von dem Duo Fellner und Helmer in Auftrag gegeben hatte. Auch hier auf der Seilerstätte.
Was man gelernt hatte nach den verheerenden Brandkatastrophen, denen einige Theater zuvor in Wien schon zum Opfer gefallen war? Der „Eiserne Vorhang“ wurde eingeführt, seit dem Ringtheaterbrand ist in Wien auch bei jeder Theatervorstellung ein Feuerwehrmann zugegen.
Wer eine offizielle Führung im Ronacher am Wochenende mitmacht, der darf auch auf der Bühne stehen, wenn es die Aufbauten gerade erlauben. Wir dürfen. Wir stehen inmitten der CATS Kulisse, einer überdimensionalen Müllhalde und schauen in den pompösen Zuschauerraum mit dem Luster, der 2 Tonnen wiegt.
Unter unseren Füßen am Bühnenboden leuchten kleine rote Laserpunkte, fast ein wenig furchteinflößend. Die zeigen genau jene Linie, wo der besagte Eiserne Vorhang im Falle eines Brandes herabrasseln würde – er hat 12 Tonnen – alle treten unwillkürlich einen Schritt zurück.
Eine Führung kann hier ganz einfach online gebucht werden, auf der Website des Theaters. Wir haben Glück und einen Guide, der seit über 10 Jahren hier arbeitet und wirklich alles weiß über die Wiener Musicals, die Darsteller und das Ronacher. Das muss er auch, denn wer hier eine Führung mitmacht, der ist eingefleischter Musical Fan (egal welchen Alters. Ich schätze mal von 6-80) und hat viele Fragen.
Zunächst sitzen wir Fans aber mit offenen Mündern in der ersten Reihe des Zuschauerraums (den meisten wird jetzt klar, dass die erste Reihe nicht immer die ist, von wo aus man am besten sieht) und haben sowohl die Bühne, als auch die Ränge und Logen im Blick. Die letzte Renovierung erfolgte 2008, seitdem erstrahlt das denkmalgeschützte Ronacher höher und weiter als es je war, ob als Tanzsaal, Varieté oder Ausweichstelle für das 1945 ausgebombte Burgtheater.
Denn nach 36 Jahren gibt man hier im Ronacher wieder jenes Musical, mit dem der ehemalige Burg- und Josefstadtschauspieler und damalige Direktor der Vereinigten Bühnen Wien, Peter Weck gegen lautstarke Proteste ins Theater an der Wien für die deutschsprachige Erstaufführung gebracht hatte. CATS. Die Premiere jedenfalls riss das Premierenpublikum trotz anfänglicher Zweifel (typisch Wien halt) regelrecht von den Sitzen und der „Kurier“ schrieb damals: „Wenn man nach zweieinhalb Stunden das Theater verlässt, ist man überrascht, auf der Wienzeile zu stehen und nicht am Broadway.“ Mittlerweile ist CATS ein Mythos, aber ob der Mythos auch im Jahr 2019 noch zieht?
Ja, er zieht. Am 20.9.2019 hatte der Welterfolg wieder in Wien Premiere, diesmal aber gleich im Ronacher. 1983 hatte man Cats zunächst bis 1988 im Theater an der Wien gespielt, en suite. Für damalige Musical Verhältnisse (trotz Musical in der Volksoper) ein bislang nie da gewesener Erfolg. Da man aber bereits die Verträge für das nachfolgende „Phantom der Oper“ unterschrieben hatte, musste im Theater an der Wien Platz gemacht werden, CATS übersiedelte ins Ronacher und wurde dort noch weiter bis 24. 9. 1990 erfolgreichst gegeben. Und nun ist CATS wieder hier.
Der Aufbau des Bühnenbilds dauerte 4 - 6 Wochen, weil es an die hiesige Bühne angepasst werden musste, die Probenzeit betrug 8 Wochen – geprobt wurde auf der Probebühne des Ronacher. 7-8 Mal pro Woche wird gespielt – ausschließlich CATS und am Weekend gibt es Doppelvorstellungen – derzeit bis Ende Juli 2020.
Es gibt rund 1000 Sitzplätze und bei CATS sitzt man als Zuschauer auch auf dem eigentlichen Orchestergraben, denn die Musiker spielen hinter (!) der Bühne und sehen auf Bildschirmen, was auf der Bühne vor sich geht. Im Saal sind rund 100 Lautsprecher verbaut, im Bühnenbild ca. 100 Paar leuchtende Katzenaugen versteckt. Auf der Bühne gibt es ungefähr 250 Bühnenschweinwerfer und über 1110 einzeln ansteuerbare LED Lampen in den Lichterketten. Warum hängen da oben am Rang Plastikfolien an den Wänden rum? Weil das Ronacher ja eigentlich 1888 nicht für Musikvorstellungen gebaut worden war, sondern eher eine Hufeisenform hat: Damit die neugierigen Wiener einst sahen, was in den anderen Logen vor sich geht und man ein bissl „rüberspechteln“ kann, wie man in Wien sagt. Die Plastikfolien holen den Schall retour in den Zuschauerraum. Seit dem Musical „Elisabeth“ gibt es auch 4 LED Wände mit englischen Subtexten, ähnlich wie in der Oper üblich.
Die Cast und die Musiker sind wichtig, auch die Requisiteure und Beleuchter und Techniker – aber ohne Inspizienten läuft bei einer Musical Vorstellung gar nix. Ein Inspizient ist die geistige Schaltzentrale: Ohne ihn und seine Anweisungen (Cues) kein Vorhang, kein Auftritt, kein Einsatz, kein Bühnenbild.
Der Bühnenturm wurde bei der letzten Renovierung erhöht: 28 Meter geht es von der Bühne in die Höhe, um Kulissen hochziehen zu können – und auch unter der Bühne muss mindestens so viel Tiefe sein.
Übrigens, welcher CATS Fan weiß, warum am Schrotthalden Auto „NAP 70“ am Kennzeichen steht? Es ist die Abkürzung des Namens des Ausstatters Johan Napier und bedeutet das 70. Internationale Bühnenbild für CATS. Das Bühnenbild ist übrigens das originale aus London, adaptiert für das Wiener Ronacher. Alles hier auf der Schrotthalde wurde im Verhältnis 3:1 gefertigt – in den Augen von Katzen halt.
Hinter der Bühne sieht es eher nach einem umtriebigen Arbeitsplatz aus als nach mondänem Musical Leben: Hier stehen Sessel für die Kostümwechsel der Katzen, hängen leuchtende Augenklappen mit Batterie an der Wand, stehen Requisiten und Schminktische herum.
Hier hinten findet auch das besagte Orchester Platz, hier in Wien protzen wir mit unserem bekannten und berühmten Musical-Orchester – 27 MusikerInnen spielen Abend für Abend.
Neben dem Orchester backstage befindet sich eine kleine Lounge, das ist die Booth Box. Dort sitzen die „Swings“, singen im Chor mit, ohne auf der Bühne zu sein und warten auf allfällige spontane Einsätze. Was Swings sind? Ein Swing muss bis zu fünf Männer- oder Frauenrollen einer Inszenierung beherrschen und ultrakurzfristig jederzeit in die jeweilige Rolle springen, sich schminken und einsteigen können: Tänzerisch und gesanglich. Und die tollen Make-Ups, die macht sich bei CATS jede Katze selbst – das ist etwas anders als bei anderen Musicals.
Die Katzen sind also wieder in Wien und viele der damals jungen Fans aus 1988/89 mit ihnen: Wir pilgern 36 Jahre danach wieder zu CATS - mit unseren Kindern oder Nichten und Neffen: Zu Macavity, Grizabella, Gus und Mr. Mistoffelees. Und wenn man in die Lieder reinhört, kann unsereins auch nach über 30 Jahren jede Zeile von der Langspielplatte damals mitsingen, als wäre dazwischen kein einziger Tag vergangen.
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