Selbstportrait der Bloggerin Mei Lie Tja als Gastautorin

Streetart in Wien: Stinkfish und Skril statt Schiele und Klimt

02.03.2020

©Calle Libre

Genug von kuratierten Ausstellungen im Kunsthistorischen Museum, der Sammlung Leopold und dem Mumok? Dann wird es Zeit, das andere Wien kennenzulernen. Jenes Wien, das ganz und gar nicht verstaubt und traditionsverliebt ist, sondern frech, schmutzig und unerwartet. Wien hat sich in den vergangenen Jahren von einem Street Art-Geheimtipp zu einer Stadt mit einer vibrierenden Szene entwickelt, die über die eigenen Stadtmauern hinausstrahlt. Je nachdem, wen man fragt, gibt es zwischen 100 und 200 Graffiti-Sprayer in Wien, die den Wänden der Hauptstadt Charakter verleihen. 

Konnte man früher gerade mal am Donau-Kanal, der ersten legalen Sprayer-Fläche  der Stadt, originelle Kunstwerke von Sprayern bewundern, gibt es mittlerweile etliche Kunstwerke überall in der ganzen Stadt verteilt – und völlig gratis – zu bewundern. Dazu gehören heimische Größen wie Skril, Ruin, Frau Isa und Nychos aber auch internationale Künstler wie Jana & JS, Invader aus Frankreich oder Stinkfish aus Kolumbien. Das liegt unter anderem daran, dass Hausbesitzer und Unternehmen begriffen haben, dass eine gestaltete Wand Gold wert ist. Sogar der internationale Superstar Banksy war schon mal da – mit seinem „Smiley Soldier“ in der Schleifmühlgasse. Sein Werk wurde aber bereits 2010 entfernt.
 

Graffiti auf der Nussdorfer Lände | © Merkurion

Farbe an der Wand

Vom Schottenring bis zur Nußdorfer Lände

Ein Spaziergang entlang des Donaukanals bietet links und rechts des Wassers die ersten legalen Spray-Flächen Wiens.

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©Merkurion

Graffiti an jeder Straßenecke: Der 6. und 7. Bezirk

Das Herz der Wiener Streetart sind der 7. und die ihn umgebenden Bezirke 6 und 8. Da wo die „Bobos“ – also die öko- und stilbewussten Freigeister, die  „bourgeoisen Bohemiens“ – wohnen. Um jede Straßenecke leuchten einem frei komponierte Graffitis, kleine mit Schablonen gesprayte Bilder (Stencil Art) und fassadenhohe Murals – Murals werden von mehreren Artists gemeinsam besprayt und meist von der Stadt legal zur Verfügung gestellt - entgegen. Leider hat der Wegbereiter der modernen Street Art-Szene in Wien, die Galerie Inoperable, 2014 seine Pforten geschlossen. Dafür tummeln sich im 6. und 7. Bezirk die Nachfolger. Street Art gehört nicht mehr nur der Straße, sondern ist längst auch in die Galerien eingezogen – wie etwa der Urban Space Gallery und der Galerie Oxymoron.

Auch Hausbesitzer und Immobilien-Developer haben längst begriffen, dass eine gesprayte Fläche eine große Aufwertung bedeuten kann. Ein Beispiel dafür ist etwa im 6. Bezirk zu finden. Ein Developer von Lofts in der Hornbostelgasse wollte seinen Abnehmern die Feuerwand gegenüber nicht antun – und heuerte deswegen internationale Graffiti-Künstler an, um diese zu verschönern. Das Resultat finden Sie in der Hornbostelgasse 9: ein wunderschönes Werk, das einen Fotografen und seine Polaroids darstellt.

Vibrierende Street Art Szene in den Bobo-Bezirken | © Oxymoron

Wo Wiens Bobos Streetart leben

Graffiti Safari

Der 7. Bezirk hat sich über die Jahre zum Graffiti-Hotspot entwickelt. Dabei geht es längst um mehr als Farbe an der Wand.

Jetzt entdecken
©Oxymoron

Mit der U-Bahn zum Eisbär – und zu David Alaba

Aber auch jenseits der Bobo-Bezirke finden sich spannende Kunstwerke. Ein herausragendes Mural ist etwa der Eisbär des international angesagten, jungen Steirer Künstlers Nychos. Die für ihn typische Anatomiestudie hat er ausgerechnet an einer wenig attraktiven Hauswand im 10. Bezirk in der Knöllgasse/Quellenstraße 156 angebracht – bislang der einzige Ort, wo er ein derart großes Mural legal in Wien anbringen durfte. Wer mit der U4 in Wien unterwegs ist, für den lohnt sich das Aussteigen bei der Station Margaretengürtel, um nach kurzem Fußmarsch sein Werk zu bewundern. Fußballfans können in Wien Donaustadt ein großes Mural mit dem Antlitz von Kicker David Alaba bewundern – handsigniert vom Spieler selbst, versteht sich. Wer dafür mit der Straßenbahn 25 nicht herumbummeln möchte, nimmt die U2 bis Aspernstraße, um in die Langobarden Straße 170 zu gelangen.

Space Invaders in Vienna!

Aber es müssen nicht nur die großen Werke sein. Wer die Augen offen hält, findet auf Häusern, verteilt über die ganze Stadt, kleine Mosaike auf Höhe der Straßenschilder: Sie stellen Space Invader aus dem gleichnamigen Videospiel dar und wurden von dem französischen Künstler Invader 2006 und 2008 hier angebracht. Neben Wien findet man seine Mosaike übrigens auch in New York, Paris und Rom. Also aufgepasst: Insgesamt gibt es in Wien 56 Space Invader zu entdecken.

Egal, wofür ihr euch entscheidet, wichtig ist, beim nächsten  Spaziergang in Wien die Augen offen und die Kamera griffbereit zu halten. Vielleicht entsteht gerade jetzt das nächste Kunstwerk…

Hotels: Hotel Anatol, Hotel Ananas, Hotel Rathauspark Wien

Autor

Mei Lie Tjia

Selbstportrait der Bloggerin Mei Lie Tja als Gastautorin

Mei Lie Tjia emigrierte im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern von Shanghai nach Wien. Seitdem ist Wien für sie ein Ort der Faszination und der Obsession. Mei liebt Fotosafaris in den Bobo-Bezirken, neue Cafés zu entdecken (Espresso mit viel Zucker) und Kurzgeschichten über das magische Wien zu verfassen. Seit sie zwei Kinder bekommen hat, kommt sie nicht mehr so oft dazu – dafür hat sie aber ein anderes Wien kennengelernt: Eines, das auch Familien Überraschungen zu bieten hat.

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